Programm
Josef Schnabel Transeamus |
Felix Rußwinkel, Bariton, Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Georg Friedrich Händel Seht, er kömmt aus: „Judas Makkabäus” |
Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Willem van Twillert Toccata über „Tochter Zion” |
Stephan Lutermann, Orgel |
Dietrich Buxtehude Cantate Domino |
Sarah Weller, Sopran, Felix Rußwinkel, Bariton, Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Johann Sebastian Bach Wachet auf, ruft uns die Stimme |
Stephan Lutermann, Orgel |
Johann Sebastian Bach Duett aus „Wachet auf, ruft uns die Stimme” |
Sarah Weller, Sopran, Felix Rußwinkel, Bariton, Stephan Lutermann, Orgel |
Wolfgang Amadeus Mozart Ave Verum |
Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Wolfgang Amadeus Mozart Laudate Dominum |
Sarah Weller, Sopran, Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Gabriél Fauré Cantique de J. Racine |
Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Sigfrid Karg-Elert Lobt Gott, ihr Christen allzugleich |
Stephan Lutermann, Orgel |
Arthur Honegger aus der Weihnachtskantate |
Felix Rußwinkel, Bariton, Stephan Lutermann, Orgel, Meller Madrigalchor |
Ansage
Mein sehr verehrten Damen und Herren!
Ich begrüße Sie zu dem heutigen Abend. Wir freuen uns, mit unserem Weihnachtskonzert wie schon in vielen Jahren zuvor hier in der schönen St.-Matthäus-Kirche zu Gast sein zu dürfen. Wir danken der Kirchengemeinde St. Matthäus und Pastor Rickers für diese Möglichkeit. Wir singen diesmal nicht wie sonst im alten Teil der Kirche, weil wir mit der Orgel zusammen musizieren wollen.
Für heute haben wir ein Programm aus alter und neuer Musik zusammengestellt. Das erste Stück könnte auch das Motto für den heutigen Abend abgeben: „Transeamus usque Bethlehem” - „Lasset uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist”. Es geht weiter mit Händels „Seht er kömmt mit Preis gekrönt”. Das bezieht man in der Adventszeit auf die Ankunft des Herrn, auch wenn bei Händel die siegreiche Heimkehr des Freiheitshelden Judas Makkabäus gemeint ist. Diese eingängige Melodie ist ja mit dem Text „Tochter Zion, freue dich” so etwas wie ein weihnachtliches Volkslied geworden.
Der zeitgenössische niederländische Komponist Willem van Twillert hat diese Melodie zu einer Toccata verarbeitet. Zur Bezeichnung Toccata habe ich in einem Lexikon folgende Erklärung gefunden:
Toccata (ital.: von toccare schlagen) ist eine der ältesten Bezeichnungen für Instrumentalstücke, speziell für Tasteninstrumente, […] meist von freier musikalischer Struktur, etwa einer geschriebenen Improvisation gleich. […]
Über die Jahrhunderte hinweg wurden Toccaten zumeist für Tasteninstrumente komponiert und wurden im Barock vor allem als Präludium vor einer Fuge eingesetzt. […]
Toccaten stellen zum Teil höchste Ansprüche an den Interpreten und sind von festlichem, mächtigem Charakter. Oft werden sie auch von Organisten zum Auszug oder Einzug der Gemeinde in Gottesdiensten gespielt.
Soweit das Internet-Lexikon Wikipaedia. Hören Sie, was Willem van Twillert daraus gemacht hat.
Eine Orgel ist schon ein phantastisches Instrument. Von dem französischen Organisten und Komponisten Charles-Marie Widor ist der Ausspruch überliefert: „Orgelspielen heißt einen mit dem Schauen der Ewigkeit erfüllten Willen manifestieren.”
Überliefert hat diesen Ausspruch Albert Schweitzer, der ja selber ein großer Orgelfreund und Orgelspieler gewesen ist.
Wir sind freuen uns, für die Orgel den Organisten Stephan Lutermann gewonnen zu haben. Stephan Lutermann ist gebürtiger Osnabrücker. Nach Studium in Aachen, Salzburg, Köln, London, nach Konzerten in Frankreich, Österreich, Italien, Argentinien, Russland, nach einer ganzen Reihe von Plattenaufnahmen, nach einer fünfjährigen Tätigkeit in Köln mit vielfältigen Aufgaben kehrte er 2002 in seine Heimatstadt zurück und wirkt seitdem am Hohen Dom zu Osnabrück.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen auch gleich unsere weiteren Solisten vorstellen, die strahlende Sopranistin Sarah Weller und den stimmgewaltigen Bariton Felix Rußwinkel, die beide schon bei mehreren Konzerten des Meller Madrigalchores mitgewirkt haben.
Es geht weiter. Singet dem Herrn ein neues Lied – Cantate Domino Canticum Novum, dieses Musikstück beginnt nicht nur mit dem Wort Cantate, es ist auch eine kleine Kantate, in der sich alle Mitwirkenden zum Lobe Gottes vereinen. Nach dem Cantate Domino von Buxtehude folgen zwei Stücke von Bach aus seinem Werk Wachet auf, ruft uns die Stimme.
Auch und gerade in der so froh gestimmten Weihnachtszeit sollen wir uns daran erinnern, dass Weihnachten nicht der Schluss, sondern der Beginn einer langen Geschichte ist, die auch noch Ostern und Pfingsten und noch viel mehr umfasst. Mozarts Ave Verum verbindet Weihnachten mit Karfreitag, sein Text lautet in der Übersetzung:
Sei gegrüßt, wahrer Leib, geboren von der Jungfrau Maria.
Du hast wahrhaft gelitten und wurdest für die Menschheit am Kreuz geopfert.
Wasser und Blut floß aus deiner Seite, als man sie durchstach.
Sei uns Trost in der Prüfungsstunde des Todes.
Danach kehren wir mit Mozarts Laudate Dominum Omnes Gentes wieder zur Weihnachtsfröhlichkeit zurück. Auf Deutsch heißt das Lobet den Herrn, alle Völker, und auch dieser Musiktitel hätte sich gut als Überschrift über den heutigen Abend geeignet. Er kehrt nämlich noch mehrmals wieder. Zunächst in dem Hymnus von Gabriel Fauré auf Worte von Jean Racine. Dieser Hymnus schließt mit den Worten:
O Christus, sei gnädig deinem treuen Volk,
Das zu deinem Lobpreis hier beisammen ist,
Nimm an die Lieder, die es dir darbringt
Zu deinem immerwährenden Ruhm
Und als Dank für deine Gaben.
Sie finden ihn leider nicht auf ihrem Programmzettel. Er ist vor dem Druck irgendwo in meinem Computer verschollen.
Das Gotteslob wiederholt sich noch einmal in dem Orgelstück Lobt Gott ihr Christen allzugleich von Sigfrid Karg-Elert, einem lange verkannten deutschen Komponisten aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Und auch die Weihnachtskantate von Artur Honegger gipfelt in einem Laudate Dominum, aber dazu später mehr.
In dem kleinen Schweizer Dorf Selzach bestand von alters her die Tradition, alle drei Jahre im Sommer die Passionsgeschichte aufzuführen. 1939 versuchte man, diese Tradition neu zu gestalten. Man wollte ein neues Theater bauen und beauftragte den Berner Dichter Cäsar von Arx, zur Vertonung durch Honegger ein neues Passionsspiel zu schaffen. Cäsar von Arx schwebte ein monumentales, ganztägiges – heute sagt man wohl Theaterevent – vor.
Durch den Weltkrieg verzögerte sich die Fertigstellung, aber Librettist und Komponist arbeiteten doch kontinuierlich weiter an dem Werk. Es kam aber nicht zur Fertigstellung, denn 1949 nahm sich Cäsar von Arx einen Tag nach dem Tod seiner Frau das Leben. Honegger scheute sich daraufhin, an dem Werk weiter zu arbeiten.
1952 bat Honeggers Freund Paul Sacher um eine Kantate zum Jubiläum des Basler Kammerorchesters. Obwohl bereits durch einen schweren Schlaganfall gezeichnet, machte Honegger sich ans Werk. Darin arbeitet er einen Großteil des für das Passionsspiel vorhandenen Materials ein.
Von besonderem Reiz in seiner Weihnachtskantate ist ein Quodlibet bekannter Weihnachtslieder. Quodlibet heißt ja eigentlich Wie es – euch Sängern – gefällt. Die Kunst besteht nun gerade darin, dass bei einem Quodlibet eben nicht jeder drauflossingt, wie es ihm gerade einfällt, sondern dass die vielen verschiedenen Lieder kunstvoll aufeinander bezogen und miteinander verschlungen werden. Wie darin die bekannten Melodien auftauchen, wie sie miteinander spielen, nach vorne drängen und sich wieder in den großen Chorklang einfügen, wie sie zusammengehalten werden durch das Stille Nacht, das durch alle Stimmen wandert, alles dies in kunstvoll verschlungenem Gegen- und Miteinander, das macht gerade ist das Einmalige daran aus. Ein Rezensent hat das so ausgedrückt:
Während normalerweise die Weihnachtslieder hintereinander – horizontal angeordnet – erklingen, erklingen sie hier übereinander geschichtet – vertikal angeordnet.
Für den Chor wird das im Notenbild der übereinander gesetzten Stimmen besonders augenfällig.
Die Kantate endet mit einem triumphierenden, beinahe trotzigen Laudate Deum, das etwas von der Kraft und dem Willen spüren lässt, mit der Honegger dieses letzte Werk seiner Krankheit abgezwungen hat. Honegger erlebte noch die Uraufführung im Jahr 1953. Er verstarb im Jahre 1955.
Honegger war sicher einer der herausragenden Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Schweizer verehren ihn als einen ihrer ganz Großen, sie haben ihn auf ihrer 20-Franken-Note abgebildet. Honegger selber charakterisierte seine Arbeit einmal wie folgt:
Komponieren heißt, eine Leiter aufstellen, ohne sie an eine Mauer anlehnen zu können. Da gibt es kein Gerüst: nur durch das Wunder der inneren Logik, eines angeborenen Gefühls für Ebenmaß kann der Bau sich im Gleichgewicht halten.
Nun also, die Weihnachtskantate von Arthur Honegger.
1 Quelle: http://www.snb.ch/ (26.11.2006)