Mein Jakobsweg

Santibañéz, den 25.4.2008 (noch 270 km)

Nach einem guten Frühstück in der wirklich guten Herberge „San Antonio de Padua” (auch er ein begnadeter Pilger) machten wir uns in aller Ruhe wieder auf die Beine. Zunächst zogen wir an einer wenig befahrenen Landstraße entlang, dann über schnurgerade Feldwege. Das Land wurde zunehmend landwirtschaftlich genutzt. Waren es gestern nur einzelne Flurstücke, die gepflügt waren, umgeben von ausgedehnter Dürrebrache, so schlossen sich heute die Äcker lückenlos aneinander.

Landwirte kontrollierten ihre Bewässerungssysteme, nicht mehr die alten Zementtröge, sondern moderne, selbstfahrende Schlauchsysteme. Es war sonnig, es war warm, es war ein kleines bisschen eine Vorstellung zu gewinnen, wie es sich hier wohl in den Sommermonaten gehen muss. Nach vierzehn Kilometern erreichten wir Hospital de Órbigo.

Sehr malerisch die vielbogige helle Steinbrücke über den Rio Órbigo und die Hochwasserausgleichsflächen. Und wie meist gab es auch für diesen Ort eine lokale Sage, in diesem Fall von einem Ritter, der aus verschmähter Liebe und um seiner Dame zu imponieren sich an dieser Brücke postierte und jeden vorbeikommenden Ritter zum Zweikampf forderte. In Hospital de Órbigo legten wir eine kurze Rast ein.

Hospital de Orbigo

Ein schmaler Fußweg führte uns durch verlassene Landschaft über einen Hügel unserem heutigen Ziel entgegen: Santibañéz, winzig wie ein Großteil der Orte am Jakobsweg, aber landwirtschaftlich geprägt und nicht ganz so ärmlich wie viele, die wir vorher passiert hatten.

Als Herberge diente ein ehemaliges Schulhaus. Sie stand offen, wir traten ein, keine hostaleros weit und breit. Wir suchten uns ein Bett und richteten uns ein. Hinter dem Haus ein wundervoll verwilderter Garten, viele Obstbäume, nachlässig beschnitten, die Apfelbäume in Blüte. Alte Schulbänke waren zu kleinen Sitzgruppen zusammengestellt. Duschen und Toiletten befanden sich in einem kleinen Verschlag im Garten. Es gab nur kaltes Wasser, das Duschen war eine Überwindung, aber es war notwendig und am Ende erfrischend.

Der obligate Gang durch den Ort konfrontierte uns mit der frustrierenden Erfahrung einer Bar, die um drei und um vier und um fünf und auch um halb sechs immer noch nicht geöffnet war. Dafür gab es eine klitzekleine Parkanlage, nicht größer als ein Hausgrundstück, mit Steinbänken, plattierten Wegen, Rosen- und Lorbeerbüschen und einer im Sommer hoffentlich funktionierenden Fontäne sowie einer Tafel, auf der die Regierung sich als Geldgeber feierte.

Später erschienen zwei junge hostaleros und es gab ein Abendessen für alle. In dem verwilderten Garten war eine lange Tafel gedeckt, alle Herbergsgäste waren vereint wie eine große Familie. Das Abendessen hatte wie stets drei Gänge, es gab roten Wein und man plauderte leichthin mit Dänen und Kanadiern.

Ich saß bei einem kanadischen Ehepaar. Er war Professor für Maschinenbau, sie war im Schuldienst tätig und beschrieb ihre Arbeit als eine Art Schullaufbahnberatung. Sie waren in ihrer Heimat durch eine Reihe von Veröffentlichungen, häufig ablehnender Natur, auf den camino gestoßen und wollten sich nun selber ein Bild machen. Sie fanden die Erfahrung spannend und bereichernd und versuchten, möglichst viele Eindrücke, auch von den kulturellen Reichtümern, mitzunehmen.

Zwei Mitpilger aus Berlin, in der Wolle gefärbte Ostdeutsche, verwickelten uns in Diskussionen, die bis zum Schlafengehen andauerten. Sie standen dem politischen System der DDR ablehnend gegenüber, konnten auch eine Reihe negativer Erfahrungen aufzählen. Andererseits waren sie sauer darüber, wie kritisch westdeutsche Medien oft über ostdeutsche Gegebenheiten berichteten. Die ostdeutsche Gesellschaft hielten sie schon für fortschrittlich. Insbesondere aber strichen sie die Verdienste und Erfolge der katholischen Kirche, ihrer Gemeinden und der aktiven Laien sehr heraus.

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