Bei Gelegenheit
21.5.2006

Ernennung W.

Lieber Herr F. !
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber L. !

Als ältester Kollege – ältester sowohl nach Lebensjahren, als auch, zusammen mit H. M., nach Dienstjahren, denn wir haben beide am 1.8.1973 am Gymnasium Melle angefangen – als ältester Kollege erlaube ich mir, das Wort für eine kleine Weile an mich zu reißen.

Wir freuen uns mit dir, dass nach einem so langen Anlauf wir dich endlich und endgültig als unseren Schulleiter ansehen dürfen. Auch die Mühlen der Behörde mahlen offenbar zeitweilig sehr langsam. Allerdings musstest du dich auch erst gegen eine zahlreiche und kompetente Konkurrenz durchsetzen. Jetzt fehlt uns zu unserem Glück nur noch dein Stellvertreter, damit unsere Schulleitung wieder komplett ist. Ich habe aber gehört, das wird.

Lieber Ludwig, wir wünschen dir heute die Kraft, die dieses Amt verlangt. Wir wünschen dir den Mut, Entscheidungen zu treffen und Entscheidungen zu korrigieren. Wir wünschen dir die Befriedigung, trotz aller täglich neu herantretenden Probleme die Freude an den Gestaltungsmöglichkeiten, die das Amt dir eröffnet, zu bewahren. Wir wünschen dir weiter wie bisher ein engagiertes und kooperatives Kollegium. Wir wünschen dem Kollegium und den Schülern, dass du stets das rechte Maß finden mögest zwischen Führen und Gewähren-Lassen, zwischen Konsequenz und Nachsicht, zwischen Ermahnung und Ermunterung.

Das alles ist, wir wir seit einer nun auch schon ein paar Jahre zurückliegende Schilf-Tagung wissen, unter anderem eine Frage der Kommunikation. Als kleine Hilfestellung dazu möchte ich dir ein Büchlein überreichen, dass ich in Osnabrück in der Buchhandlung fand, als ich neulich aus dienstlichem Anlass dort zu tun hatte. Es heißt „Der Sprachschatz der Chefs”, und es beginnt, wie alle wichtigen Bücher, ganz am Anfang: [1]

Verständigungsschwierigkeiten zwischen Chef und Belegschaft sind ein Problem, das so alt ist wie die Menschheit selbst. Schon der erste Chef überhaupt, in vielerlei Hinsicht der Prototyp eines echten Global-Players mit waschechten Macher-Qualitäten, sah sich anlässlich der Mutter aller Betriebsversammlungen nicht in der Lage, seine Vorgaben an die Mitarbeiter verständlich rüberzubringen. Dabei war dieser Chef, wie die meisten seiner heutigen Leidensgenossen auch, im Grunde seines Herzens kein schlechter Kerl: In der von ihm innerhalb von gerade mal sieben Tagen aus dem Nichts heraus performten Erde AG gab es bereits alles, was einen vorbildlichen Arbeitsplatz ausmacht: Ein natürliches Umfeld, das man ohne Übertreibung ‚paradiesisch’ nennen könnte, gleitende Arbeitszeit, interessante schöpferische Aufgabenfelder, Platz für Innovation sowie eine selbst heutzutage selten erreichte 50:50-Quote bei der Geschlechterteilung [...] Wie konnte es in diesem Musterbetrieb zu der historischen Entlassung aller Mitarbeiter kommen? Was genau ist geschehen?

Fallstudie Paradies

Chef: ‚Von allen Früchten dürft ihr essen, nur nicht von denen dieses Baumes hier!’

Die Führungskraft scheint nicht ganz zu Unrecht davon überzeugt, ein knappes und punktgenaues Briefing ausgegeben zu haben. Einwandfreies Frischfutter für die gesamte Belegschaft – gratis! Und das lange vor Marx, Ulla Schmidt und der IG Metall. Wow! Einzige Einschränkung: Nur einen Baum bitte nicht benutzen. Vielleicht war der kaputt oder ein Prototyp, oder ein Geschenk für Neukunden: Der Chef wird es gewusst haben, aber er hat es nicht kommuniziert! Was ER dadurch an dieser Stelle sträflicherweise übersieht, ist die Neigung zu Widerstand innerhalb spannungsreicher sozialer Gruppen wie einer Mann-Frau-Belegschaft, wenn die Weisung wegen mangelndem Verständnis als willkürlicher Befehl empfunden wird!”

Genug soweit! Lieber L. ! Vor einigen Jahren hat ein Vater bei der Verabschiedung der Abiturienten die Schule mit einem Schiff verglichen und diesen Vergleich breit ausgemalt. Ich fasse mich kürzer und wünsche dir für das Schiff Schule allzeit eine Handbreit Wasser unterm Kiel!

[1] Kernbach, Michael, Der Sprachschatz der Chefs, Oldenburg: Lappan, 2006, ISBN 978-3-8303-3134-6, S. 12 f
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