75. Geburtstag von H.
Lieber H. !
Liebe Geburtstagsgäste!
Als ich 1963 von Marburg nach Münster wechselte und als Wingolfit pflichtschuldigst auf dem Wingolfshaus – damals noch an der Ewaldistraße – vorstellig wurde, war H. schon da. Es stellte sich heraus, er hatte vorher wie ich das Aufbaugymnasium in Herdecke besucht, und er studierte wie ich Mathematik und Physik. Es war, wie es Rick Blaine im Film Casablanca gegenüber Capitaine Renault feststellt, der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Natürlich habe wir die meiste Zeit mit dem Studium zu tun gehabt, aber das lässt sich nicht so gut erzählen, deshalb übergehe ich es hier. Manchmal, wenn wir lange gemeinsam über unseren Wochenaufgaben gebrütet hatten, wendeten wir uns wichtigeren Problemen zu und versuchten, ein stufenloses Getriebe zu konzipieren. Da uns aber außer unserem allgemeinen physikalischen Wissen keine speziellen Vorkenntnisse zur Verfügung standen, mussten diese Bemühungen im Sande verlaufen, haben uns aber trotzdem eine ganze Weile beschäftigt.
Als Studenten waren wir, wen wundert's, immer ein wenig klamm. Da kam es uns zupass, dass H. einen Schulausstatter gefunden hatte, der im gesamten Münsterland Schulen mit Schiebetafeln, Schulmöbeln und Verdunklungsvorhängen versorgte. Es war eigentlich ein Ein-Personen-Betrieb, ein Schulartikel-Vertreter. Er ließ die Sachen von seinen Lieferanten vor Ort ablegen. Blieb nur die Aufgabe, sie dort fachgerecht anzubringen. Dazu bedurfte es einiger nicht ganz ungeschickter Hände und einer zuverlässigen Arbeitsweise. Hier kamen wir ins Spiel. Eine solche Schiebetafel mit ihren Ausgleichsgewichten hatte ein ziemliches Gewicht und musste schon sehr ordentlich in der Wand verankert werden.
Da hatte er mit uns beiden wohl geeignete Kräfte gefunden, und wir konnten uns alle paar Wochen eine Extrawurst verdienen. Er ließ uns, so groß war sein Vertrauen, die meiste Zeit alleine werkeln und ging derweil spazieren. Unter Zeitdruck hat er uns nie gesetzt. Kam noch hinzu, dass wir bei diesen Außeneinsätzen zu einem Mittagessen im Dorfkrug oder wie immer es hieß eingeladen wurden. Dafür ließen wir dann auch gerne mal eine Vorlesung ausfallen.
Ich schweige von nächtlichen Skatspielen ohne Karten auf dem Nachhauseweg. Ich schweige von einem Großprojekt Skat bis 33 333 Punkten, ich schweige von Theo am Hegerskamp, der sich mit der Anpreisung Zwischen U-Bahn und Fernsehturm schmückte, zu Recht übrigens, und komme lieber noch einmal zurück auf das Stichwort Freundschaft. Der Königsberger Dichter Simon Dach hat dazu die folgenden schönen Verse geschrieben, mit denen ich es dann auch gut sein lassen will:
Der Mensch hat nichts so eigen,
So wohl steht ihm nichts an,
Als daß er Treu erzeigen
und Freundschaft halten kann;
Wann er mit seinesgleichen
Soll treten in ein Band,
Verspricht er nicht zu weichen,
Mit Herzen, Mund und Hand.