Bei Gelegenheit
20.6.2016

Verabschiedung des Chorleiters

Lieber …!
Liebe Sängerinnen und Sänger!

Als im Jahre 2001 unser damaliger Chorleiter T. H. nach Süddeutschland abschwirrte, war guter Rat teuer. Zwar konnten wir noch Mendelssohns Elias mit dem Petri- Chor unter Kantor Opp durchziehen. Aber was dann?

Gott sei Dank erinnerten wir uns eines Dirigenten, der schon einmal eine unserer Aufführungen geleitet hatte. 1993 war einen Tag vor der Aufführung des Requiems von Maurice Duruflé der Organist erkrankt. G. C. musste selbst die Orgel treten und … übernahm von jetzt auf gleich das Dirigat.

Ihn kontaktierten wir also und waren heilfroh, wieder einen Chorleiter zu haben. Das war – ihr kennt alle den Film Casablanca? – „der Beginn einer wunderbaren Freundschaft”. Schon im Dezember desselben Jahres konnten wir unter seiner Leitung ein Weihnachtskonzert durchführen, und das gleich zweimal, in der Matthäuskirche in Melle und in der Alexanderkirche in Wallenhorst. Erinnert ihr euch noch an das Glatteis, das uns fast einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte?

Viele schöne Konzerte folgten. Alle im Einzelnen aufzuzählen, erspar ich mir, aber ein paar Highlights sind doch unvergessen geblieben. Musik von George Gershwin und Andrew Lloyd Webber konnte wir in der rappelvollen Orangerie von Gut Ostenwalde abliefern. Brahms Liebeslieder haben wir mehrmals gebracht, unter anderem im Foyer der Firma Solarlux in Bissendorf.

Wir schreckten weder vor der Opernparodie von Richard Genée noch vor der Ländlichen Konzertprobe von Franz von Suppé noch vor Ernst Tochs Sprechfuge aus der Geographie zurück und auch nicht vor der argentinischen Weihnachtskantate Navidad nuestra von Ariel Ramírez. Motetten und Kantaten nahmen wir ins Programm, Cantate dominum und In dulci jubilo von Dietrich Buxtehude, Jesu, meine Freude und Wachet auf, ruft uns die Stimme von Johann Sebastian Bach, und wir wagten uns auch an die Weihnachtskantate von Artur Honegger. Diverse Opernchöre endeten mit Verdis Va pensiero sull'ali dorate.

Im Jahre 2009 besuchte uns auf Vermittlung von … und der Pianistin K. H. der Chor Andante aus Japan. Gemeinsame Konzerte in Wallenhorst und Melle gipfelten in dem Halleluja aus dem Messias von Georg Friedrich Händel.

Und zuletzt hatten wir noch ein wunderschönes Brahms-Konzert in der Alten Stadthalle in Melle. Da kommt doch wirklich eine ansehnliche Liste zusammen. Kein Wunder, denn mit vierzehneinhalb Jahren war … auch von allen bisherigen Chorleitern am längsten mit uns verbunden. Es ist deshalb nicht übertrieben, wenn ich bekenne, er hat in dieser Zeit den Meller Madrigalchor geprägt.

Für … stand stets die Musik über allem, da kannte er keine Kompromisse. Mit dieser Voraussetzung hat er dem Chor viel gegeben und viel verlangt. Wir haben unter seiner Leitung viel erreicht, er hat uns immer klarzumachen versucht, dass wir an unseren Grenzen längst noch nicht angekommen seien.

Meistens lief es so ab, das wir uns erst langsam an die Werke herangetastet haben, dass uns zwischenzeitlich die Aufgabe schier unlösbar schien, dass sich aber allmählich ein Gefühl des Verständnisses entwickelte. Trotzdem oder gerade deswegen nahm der Probenstress immer weiter zu, je mehr es in die Details ging. Es grenzt an ein Wunder, dass am Ende alles immer wieder einen guten Ausgang nahm.

Vierzehneinhalb Jahre sind eine lange Zeit. Es ist begreiflich, dass diese Zeit auch ihren Tribut fordert. Langsam und zunächst unmerklich, irgendwann aber doch erkennbar werden die physischen Anforderungen so belastend, dass es verwegen erscheint, sich ihnen länger auszusetzen. Wir merken es auch an uns selber – zumindest einige von uns – , dass die Kraft uns Grenzen setzt und auch wir die Ansprüche an uns selber ein wenig herunter schrauben müssen. Das ist nicht schön, aber es ist so.

Wir haben mit dem Brahms-Konzert einen Punkt erreicht, über den wir mit unseren beschränkten Möglichkeiten nicht hinausgehen können. Du hast ebenfalls einen Punkt erreicht, an dem die Mühe in keinem Verhältnis mehr zum Ergebnis steht. Wir als Chor und du als sein musikalischer spiritus rector haben gemeinsam herausgefunden, das dies ein geeigneter Zeitpunkt ist, eine lange, gedeihliche Zusammenarbeit zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Und für diese lange und gedeihliche Zusammenarbeitwollen wir dir heute von ganzem Herzen danken.

Wir wollen auch weiterhin freundschaftlich verbunden bleiben und uns auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Wir hoffen, dich vielleicht bei zukünftigen Konzerten, sicher aber bei unseren Chorfesten in unserer Mitte zu finden. Wir wünschen dir, du mögest das Ende von Probenstress und Premierenfieber nicht als Verlust, sondern als Bereicherung empfinden. Möge dir die gewonnene Zeit nicht als Leere, sondern als Freiraum erscheinen. Mögest du diesen Freiraum genießen., indem du dich an den schönen Dingen, die es neben der Musik noch gibt, von Herzen erfreust. Du wirst uns als Mahner und Ansporn immer vor Augen stehen.

(Leider ist … zur Verabschiedung nicht erschienen.)
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