Mein Jakobsweg

Obanos, den 5.5.2008 (noch 685 km)

Die Übernachtung im Massenquartier stellte sich als ganz erträglich heraus. Die Betten waren nur zu einem Viertel belegt und die Nacht verlief ausgesprochen ruhig. Am Morgen brachen wir auf zum camino. Wir frühstückten in einer Bäckerei. Jochen wurde unruhig und verließ uns. Wir nahmen unsere Rucksäcke und machten uns auf den Weg.

Hinter Cizur Menor, einem Vorort von Pamplona, ging es, zuerst gemächlich, später steiler, zügig bergauf. Oben am Horizont winkten zwei Reihen von Windkrafträdern. Wir flachsten, ob wir da wohl hindurch müssten. Wir mussten. Der Weg wurde steiler und schmaler, bis er sich nur noch als fußbreiter Pfad durch Heidekraut und Ginster den Berg hinaufwand, den Alto de Perdon, den Berg der Gnade, so genannt einer alten Geschichte wegen, nach der hier ein verdurstender Pilger das Angebot des Teufels ausgeschlagen hatte, ihm etwas zu trinken zu geben.

Der camino zeigte uns im Laufe der Zeit noch viele Pilgerskulpturen. Auf dem Alto de Perdon steht sicher eine der eigenwilligsten, eine Pilgerkarawane, in Scherenschnittmanier aus Bronze gearbeitet.

Alto de Perdon

Dann der Abstieg, wieder dreihundert Höhenmeter, aber auf deutlich kürzerer Strecke. War der Aufstieg lehmig und schmal, so war der Abstieg breit und steinig. Wir überholten zwei Pilger, offenbar Mutter und Sohn. Die Mutter hinkte erbärmlich den Berg hinab. Wollte sie etwa auf diese Weise bis Santiago kommen?

In Uterga gab es Gelegenheit zu einer längeren Rast im Restaurant „Camino del Perdon”. Wir bestellten ein bocadillo. Bocadillo wird immer mit „Brötchen” übersetzt, tatsächlich handelte es sich stets um ein halbes Baguette-Brot, dick belegt, und ersetzte gut und gerne eine Mahlzeit.

Hier trafen wir Monika aus Hamburg. Sie behauptete zwar, langsam zu gehen, hielt aber doch unser Tempo. Also besichtigten wir gemeinsam das geheimnisvolle Kirchlein von Eunate.

Einsam zwischen Feldern gelegen, unregelmäßig achteckig, von einem ebenfalls achteckigen Bogenkranz umfasst, in grauem Granit aufgeführt und schmucklos innen und außen nimmt dieses alte Bauwerk den Betrachter gefangen. Wenige, kleine und schmale, hoch angebrachte Fenster, durch die diffuses Licht einfällt, können das Innere nur spärlich beleuchten. Wenn nicht gerade Kinder herumtoben, herrscht unwirkliche Stille.

Ein Teil seiner Wirkung beruht darauf, dass niemand genau zu wissen scheint, was es mit diesem Bauwerk auf sich hat. Der achteckige Grundriss zitiert die Grabeskirche in Jerusalem. Ist Eunate von den Templern erbaut? Bei Grabungsarbeiten fand man zwei Jakobsmuscheln mit Löchern zur Befestigung. Handelt es sich um eine Begräbniskapelle für Pilger? Bei den Bewohnern der Umgebung ist die Kapelle für Trauungen beliebt.

Eunate

Bei der Rast stellte sich heraus, dass meine Schuhe den Anforderungen des Jakobsweges nicht gewachsen waren. Die Sohlen hatten sich gelöst. Notgedrungen ging ich in dem leichten Ersatzpaar weiter. Mit einigen weiteren Anstiegen erreichten wir Obanos und fanden eine kleine, aber feine albergue. Da werden wir heute Nacht bleiben.

Wenn man auf einer Karte den zurückgelegten Weg mit der noch verbleibenden Strecke bis Santiago vergleicht, wird einem sehr drastisch deutlich, dass da wohl noch einiges leisten sein wird.

≡ Navigation
 
↑ Seitenanfang