Mein Jakobsweg

Fisterra, den 11.5.2008

In Fisterra muss man auch gewesen sein. Wir beschlossen, nicht in drei oder vier Tagen dahin zu laufen, sondern den Bus zu nehmen.

Diese Eukalyptuswälder! Eukalyptusbäume wachsen schnell, aus dem Holz wird Papier hergestellt. Wir hatten zuvor davon gelesen, auch auf dem Weg nach Santiago schon einige gesehen. Dass sie aber so großflächig Hügel und Berge überziehen, hat doch erstaunt. Ob das wirklich der Weisheit letzter Schluss ist?

Die Fahrt war eine endlose Kurverei. Fisterra liegt am Ende einer kleinen Halbinsel. Die Gegend ist bergig und felsig. Keine schroff aufragenden Felsen, sondern von Felsenklippen durchsetzte Bergrücken, die direkt aus dem Meer aufsteigen. Die Straße wand sich um jede kleine Bucht, durch jeden kleinen Ort.

Vom Ort Fisterra aus galt es, die drei Kilometer bis zum Kap mit seinem Leuchtturm zu Fuß zurückzulegen. Das Gelb des Ginsters herrschte vor. Er kommt wohl am ehesten mit den unwirtlichen Verhältnissen zurecht. Am Straßenrand blühten Margariten. Sie wurden hin und wieder unterbrochen von kleinwüchsigen, kleinblütigen Kräutern. Und endlich: Das Ende der Welt! Klippen fielen steil zum Wasser hinab, bildeten kleine Kanzeln oder formten urwüchsige Bänke. Schmale Pfade verliefen sich in verborgene Tiefe. Und allenthalben Pilger, vor allem junge Pilger. Sie saßen ergriffen auf den Felsen, ergriffen von sich selbst und von der unwirklichen Kulisse.

Das Meer war glatt und schien endlos unter einem wolkenfleckigen Himmel. Kleine Wellen brachen sich schäumend an unsichtbaren Unterwasserfelsen. In der Ferne sprangen Delfine. Die Westküste Galiciens heißt auch costa de muerte. Das wird seinen Grund haben.

Fisterra

Auf den Felsen sah man immer wieder verkohlte Stellen. Hier hatten junge Leute gemäß altem, vielleicht sogar heidnischem Brauch etwas von ihrer Kleidung geopfert.

Leider waren auch zahlreiche Touristen zugegen. Sie ließen sich schwatzend, lachend und fotografierend von der Magie des Ortes nicht anstecken, sondern genossen ihn als Postkartenpanorama. Einige junge Spanier erzeugten nicht nur den inzwischen gewohnten Lärm. Der Wortführer hatte ein Megafon mitgebracht. Dahinein schwatzte er ununterbrochen, und wenn ihm nichts mehr einfiel, zählte er laut.

Den ganzen Ausflug lang begleitete uns eine Japanerin. Sie hatte sich mit minimalen Englischkenntnissen und ganz auf sich allein gestellt auf Europatour begeben. Dabei hatte sie bereits Berlin und Meißen gesehen, London und Paris. Sie war ein paar Tage auf dem Jakobsweg gegangen und wollte anschließend weiter zum Mont St. Michel. Sie ließ sich bereitwillig leiten und bedankte sich mit zusammengelegten Händen und unzähligen Verbeugungen unentwegt für den schönen Tag. Mir bleibt rätselhaft, wie sie mit ihren spärlichen Sprachkenntnissen durchkam.

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