Mein Jakobsweg

Viana, den 8.4.2008 (noch 621 km)

Der Tag begann regnerisch und schlammig-lehmig. In der Nacht hatte es gegossen. Am Morgen sprühte es nur noch, aber das erste Wegstück war furchtbar: Nass, lehmig, glitschig, klebrig. Man schleppte an jedem Schuh ein Kilo Lehm mit. Nach fünf Kilometern wechselten wir auf die Asphaltstraße über. So kamen wir an Torres del Rio vorbei.

Bei einer kurzen Rast am Straßenrand trafen wir Wolfgang aus Essen. Wolfgang war als unter Tage arbeitender Bergmann schon mit Mitte vierzig in Rente geschickt worden, weil er keine Luft mehr bekam. Ein Bekannter hatte ihm den camino empfohlen, und er hatte sich ohne große Erwartungen auf den Weg gemacht. Als er merkte, wie gut es ihm hier gesundheitlich ging, wie er frei atmen konnte, wie er, an harte Arbeit gewöhnt, ohne Mühe bis zu vierzig Kilometer am Tag zurücklegte, wuchs seine Begeisterung. Nun wollte er stracks bis Fisterra durchgehen. Ein Priester, den er unterwegs getroffen hatte, hatte ihm, der bislang ohne religiöse Bindung lebte, versprochen, ihn dort im Atlantik zu taufen.

Wir setzten uns ein wenig unter Zeitdruck, weil wir von allen Pilgern aus Los Arcos wussten, dass sie als nächstes Ziel genau wie wir Viana anstrebten. Der Sprühregen ließ nach. Gegen ein Uhr erreichten wir Viana und suchten eine private Pension auf. Es war eine wirklich kleine Pension mit nur vier Zimmern, sie hatte nicht einmal einen Namen. Sie sollte die einzige Pension auf unserer Wanderung bleiben.

Erst einmal mussten wir verschnaufen, Wäsche waschen, duschen. Dann kamen noch zwei weitere Gäste, wie sich gesprächsweise herausstellte, Tante und Neffe. Das hätte man nicht angenommen, denn der Altersunterschied schien nicht groß. Sie waren mit viel zu viel Gepäck in St.-Jean-Pied-de-Port losmarschiert. Deshalb hatten sie am Ende des ersten Tages in ihren Rucksäcken gewaltig aufgeräumt und sich gegenseitig alles weggeworfen, was entbehrlich schien, auch Dinge von einigem Wert wie ein schweres Taschenmesser und ein Edelstahlbesteck.

Nach einem gemütlichen Plausch am Küchentisch strebten wir noch einmal in den Ort. In Viana ist der Papstsohn Cesare Borgia im Kampf gefallen. Da er auf der Seite des Verlierers, des Königs von Navarra, gekämpft hatte, verweigerte man ihm zeitweilig ein ordentliches Grab und begrub ihn unter der Straße.

Borgia-Grab

Wo wir auch hinkamen lief pausenlos ein Fernseher, entweder mit Fußball oder etwas wie „Spanien sucht den Superstar”. In der kleinen Bar „Café San Juan” liefen sogar zwei Fernseher, auf denen zwei verschiedene Fußballspiele zu sehen waren. Das reicht für heute.

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