Mein Jakobsweg

Melide, den 6.5.2008 (noch 53 km)

Ich war müde und schlief bald ein, so dass ich von der Unruhe der Spanier nichts mitbekam. Natürlich mussten sie um sechs Uhr anfangen, ihre Sachen zu packen. Sie brauchten dazu wohl länger, denn als wir uns auf den Weg machten, waren sie immer noch da.

Beim Frühstück, wir hatten uns diesmal tags zuvor eingedeckt, saß ein Pilger aus dem Münsterland bei uns am Tisch. Er gehörte zu einer ganzen Pilgergruppe, die sich gemeinsam den Weg aus ihrer Heimat bis nach Santiago in mehreren Jahresetappen vorgenommen hatte und jetzt kurz vor dem Ziel stand. Auf die Frage nach weiteren Planungen, erklärte er, keinem Wanderverein anzugehören und deshalb nicht zu planen, andere Touren zu gehen.

Der Weg war leicht, die Landschaft lieblich. Erste Eukalyptuswälder tauchten auf. Ohne diese hätte die Gegend auch bei uns zu Hause sein können. Wir erreichten Melide gegen zwölf Uhr. Søren verließ uns, um bis Ribadiso da Baixo weiterzulaufen, da er weniger Zeit hatte. Wir dagegen wollten unsere Etappen verkürzen, um nicht zu früh in Santiago anzukommen.

Eukalyptuswald

Wir mussten warten, bis um eins die Herberge öffnete und waren demzufolge unter den ersten Gästen. So konnten wir uns Betten aussuchen und nahmen wie immer die unteren. Es ist nämlich mühsam, jedesmal rauf und runter zu turnen, manchmal waren nicht einmal Leitern da.

Bei unserer Rückkehr nach einem Gang durch die Stadt war die Herberge trotz ihrer Größe so gut wie belegt. Auch einige Radfahrer waren angekommen, darunter ein Holländer mit einem Liegerad. Er lobte sein Fahrzeug über alles und schlief grundsätzlich im Zelt, selbst bei den Herbergen. Er hatte sich davon überzeugt, dass Schauergeschichten über schnarchende Mitpilger den Tatsachen entsprachen und konnte dem auf diese Weise leicht entgehen.

Beim Abendessen im Dorf mit unserer Bettnachbarin, einem Mädchen aus Augsburg, dass sich trotz entzündeter Füße unbeirrt weiterschleppte, als ob es anderen oder gar sich selbst etwas beweisen müsste, stieß ein junger Ire zu uns. Er war Teilnehmer einer organisierten Wanderung mit vorgebuchten Hotelübernachtungen. Unsere Begleiterin hatte ihn in einer Kirche singen gehört und war davon sehr angetan. Er selber erzählte lieber von seinen Wanderungen in Schottland, Kanada und Kenia.

Der camino wird noch voller. Immer mehr Pilger sind im Verlauf des langen Weges dazugestoßen. Andere Jakobswege, der camino del norte in der Nähe der Küste, die via de la plata aus Südspanien, der camino portugues vereinigen sich mit dem camino frances und schaffen zusätzliche Pilger heran. Dazu kommen Tourismusgruppen und Buspilger, die mit leichtem Gepäck ein bisschen laufen, in einer Bar ihren Pilgerausweis stempeln, vom Bus wieder aufgenommen und dorthin gebracht werden, wo es schön ist, es sich gut gehen lässt und bald eine neue Bar winkt.

Eine Gruppe erregte besonders unsere Aufmerksamkeit, oder waren es zwei? Jedenfalls gab es zwei junge Frauen, die, jede mit einer großen schwarzen Videokamera bewaffnet, hinter einer Wegbiegung oder vor einer malerischen Brücke auf ihre Leute warteten, um nach deren Durchgang sich ins Auto zu schwingen, weiter vorzufahren und wieder zu warten.

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