Mein Jakobsweg

Fromista, den 17.4.2008 (noch 424 km)

Der Tag war kalt und windig. Zwischendurch hat es kräftig geregnet. Unmittelbar hinter Castrojeriz verlangte uns ein langer, steiler und steiniger Aufstieg zum Alto de Mostelares die Höchstleistung des heutigen Tages ab. Vor uns quälten sich einige Radfahrer den Berg hinauf. Für die musste es wohl noch viel schlimmer sein, die Räder mit dem erheblichen Gepäck mehr zu tragen als zu schieben, gegen den Wind, gegen den Berg, über lose Steine, auf denen sie immer wieder seitlich wegrutschten.

Meseta

Der Wind wechselte zwischen unangenehm schneidend und „nur” hinderlich. Eine Pause in Boadillo del Camino gab noch einmal neue Kraft. Schließlich erreichten wir Fromista. Im Laufe des Nachmittages trafen auch Heidrun und Uli sowie die beiden Hilden ein. Die beiden Hilden, das waren Hilde und Hilda aus Wien, zwei alte Damen voller Elan. Wir haben noch lange ihre Gesellschaft genossen.

Die Herbergen, die wir bislang besucht haben, waren stets am Abend fast ausgebucht, und das jetzt im April. Wie soll das erst im Sommer gehen?

In Fromista fanden wir unser Abendessen erst nach längerem Suchen. Es wurde ein fröhlicher Abend mit Hilde und Hilda, Åse aus Esberg sowie Heidrun und Uli. Hilde und Hilda, die beiden Damen aus Wien, gingen stets gemeinsam, schnurrten stetig den camino entlang, hatten es gar nicht eilig, ließen sich von uns bereitwillig überholen, legten, wo es ihnen gefiel, eine Pause ein und erreichten doch am späten Nachmittag dasselbe Tagesziel wie wir. So hatten wir stets am Abend angenehme und anregende Gesellschaft. Hilda war die Sehenswürdigkeiten am Jakobsweg schon früher mit dem Bus abgefahren und konnte auf einiges aufmerksam machen.

Hilde nahm alle Dinge sehr locker und schreckte auch vor klerikalen Späßchen nicht zurück. Wiewohl aus christlicher Überzeugung auf dem Weg, erzählte sie uns doch den Witz vom Betriebsausflug im Himmel. Wohin soll es gehen? Erster Vorschlag: Ägypten. „Nicht gut”, sagt Gottvater, „die sind immer noch sauer wegen der sieben Plagen.” Zweiter Vorschlag: Jerusalem. „Gar nicht gut”, wendet Jesus ein, „ganz schlechte Erfahrungen in Jerusalem.” Letzter Vorschlag: Rom. „Au fein”, ruft der Heilige Geist, „Rom ist toll, da war ich noch nie!”

Als sie irgendwann erfuhren, dass wir beide Protestanten sind, waren sie einen Augenblick perplex, aber der Freundschaft tat das keinen Abbruch. Von da an begrüßten sie uns stets mit den Worten: „Ah, da kommen unsere liebsten Ketzer!”

In großer Runde ein mehrgängiges Menü einzunehmen, dazu vino tinto in ausreichender Menge, Humor und Witz, bei dem man sich auf derselben Wellenlänge trifft, das alles zusammen vermittelt ein Gefühl südländischer Lebensfreude, umso mehr, wenn man glaubt, sich diese Freude durch braves Pilgern erdient zu haben.

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