Mein Jakobsweg

Cacabelos, den 29.4.2008 (noch 190 km)

Über den Bergen drohte Regen, aber es hielt sich, auch wenn sich schwere Wolkenlasten über die Bergkuppen wälzten. Viel Pflastertreten war angesagt. In Ponferrada führte uns der camino um die riesige Burg der Templer herum. Von außen machte sie einen drohenden und uneinnehmbaren Eindruck. Im Innern allerdings hat man durch Sprengungen versucht, Platz für ein Fußballfeld zu schaffen. Am Ortsausgang trafen wir die beiden Ostberliner wieder. Der camino hatte sie schon viel ruhiger und lockerer werden lassen.

Weiter ging es auf Asphalt über Columbianos, Fuentes Nuevas, Camponaraya bis Cacabelos. Die Füße wurden immer platter und heißer. Immer wieder fielen Regentropfen, aber nie so viele, dass die Pelerine nötig wurde. In Camponaraya gönnten wir unseren Füßen bei einer Tasse Kaffee eine kleine Erholung.

Auf dem Weg hatten wir längere Zeit dieselbe Marschgeschwindigkeit wie eine Gruppe blinder Pilger, die mit Stöcken, Hunden und einigen sehenden Begleitern nach Santiago strebten. Unabhängig von den Wegbedingungen marschierten sie zügig über Fels und Stein. Bald entließen sie ihre Hunde aus dem Führungsgeschirr und verließen sich ganz auf ihre Stöcke. Die Hunde waren natürlich hocherfreut und nutzten die Freiheit zum Herumrennen, Jagen und Spielen. Die Blinden gingen derweil mit unverminderter Geschwindigkeit weiter, scherzend und singend, auch wenn der Weg uneben und steinig, eng und manchmal abschüssig war. Wo man selbst seine liebe Not hatte, seine Füße sicher aufzusetzen, gingen sie unbekümmert drauf los. Es ist mir rätselhaft, warum sie nicht alle Nase lang auf dieselbe gefallen sind.

Um die Herberge in Cacabelos zu erreichen, mussten wir die ganze Stadt durchqueren und über den Rio Cúa wieder hinaus. Die Herberge ist im Halbrund um eine alte Kirche angelegt. Eine Mauer, in weitem Abstand um die Kirche gezogen, schafft einen umfriedeten Bereich. An diese lehnten sich lauter Zwei-Bett-Kabinen an, so dass zur Kirche hin noch ein freier Raum als Verkehrs- und Gemeinschaftsfläche blieb.

Die Routine des Wanderns wird einem immer wieder deutlich, wenn man andere Pilger trifft, die später eingestiegen sind. Da fühlt man sich leicht als der „echtere” Pilger. Der heilige Jakobus verzeihe mir diesen Hochmut! Der camino wird überhaupt immer voller. Immer mehr Kurzurlauber stoßen hinzu. Gleichfalls wächst aber auch die Dichte der Unterkunftsmöglichkeiten.

Nach langem Suchen – ich glaube, die wollen uns hier gar nicht – fanden wir doch noch ein menú del día, das allerdings dem Vergleich mit früheren nicht standhielt. In der Stadt bereitete sich das Weinfest Feria de la Cruz vor. Überall entstanden Buden. Und überall sah man Zigeuner, eines hing sicher mit dem andern zusammen. Eine Gruppe hatte sich mit Pferden und Eseln unter der Flussbrücke eingerichtet. Für alle Fälle sorgten wir dafür, unsere Zwei-Bett-Kabine zum Schlafen zu verrammeln.

Einen herrlichen Apfelschimmel hatten sie seitab in einem Auwäldchen an einen Baum gebunden. Er war damit gar nicht einverstanden und zerrte und bockte an kurzer Leine, so dass der Boden in einem kleinen Kreis völlig aufgewühlt war. Er schrie die ganze verregnete Nacht lang. Ein anderes Tier schlug dauernd mit den Hufen gegen seinen Transportanhänger. Der Regen trommelte auf unser Kabinendach, aber wir hatten es trocken.

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