Bei Gelegenheit
18.1.2014

Geburtstag I. (2)

Liebe I. !
Liebe Geburtstagsgäste!

Wir freuen uns alle mit Dir, dass wir hier und heute Deinen Geburtstag feiern können. Als ich mir überlegt habe, wie ich ein paar passende Worte finden könnte, fiel mir ein, dass man ja gar nicht immer etwas Neues sagen muss. Ich darf mich also selbst zitieren, an den Aussagen von früher hat sich ja nichts geändert:

„Du warst in unserem Chor ein Mitglied der ersten Stunde, ja du hast ihn eigentlich mit Christian de Witt zusammen aus der Taufe gehoben.

Du hast dich in vielen Jahren als die gute Seele unseres Chores erwiesen. du hast uns mit deinem Organisationstalent und mit deinen guten Beziehungen zu allen möglichen Stellen unschätzbare Dienste erwiesen. Wenn es darum ging, Räume zu reservieren, Stühle zu bestellen, Eintrittskarten zu drucken – die dein Erhard dann noch mit verkauft hat –, Schlüssel zu besorgen, Telefonketten zu organisieren und vieles, vieles andere, warst du zur Stelle und hast die Sache geräuschlos und effektiv in die Hand genommen.”

Aber wir wollen dich und uns ja nicht auf den Madrigalchor reduzieren. Obwohl wir dort in der letzten Zeit öfter Gelegenheit hatten, darüber nach zu sinnen, dass die Jahre kommen und gehen (das war eine Anspielung nur für Insider). Aber es ist ja nicht nur so, dass sie beim Gehen immer ein kleines bisschen mitnehmen, ein kleines bisschen Kraft, ein kleines bisschen Ausdauer, sie bringen, wenn sie kommen auch immer etwas mit, ein kleines bisschen Geduld, ein kleines bisschen Gelassenheit, auch mal ein kleines Wehwehchen, vor allem aber ein großes bisschen Nachsicht und die großartige Fähigkeit, sich jeden Tag aufs Neue über das Heute zu freuen.

Wie Kurt Biedenkopf über seine Versöhnung mit Helmut Kohl konstatierte: „Wir waren beide der Meinung, wir sind jetzt über Siebzig, da lohnt sich’s nicht mehr zu streiten.”

Von Pablo Picasso weiß man, er feierte den 70. Geburtstag so ausgiebig, dass er einen Hexenschuss erlitt. Dies tat seinem weiteren Schaffensdrang bis ins 92. Lebensjahr aber keinen Abbruch.

Die Mistinguett (eigtl. Jeanne Florentine Bourgeois, 1873-1956, französische Schauspielerin und Chansonsängerin) bekam einen Antrag, in einem Film zu spielen. Sie war gerade siebzig geworden. Der Produzent: „Es gibt in dem Film nur zwei weibliche Rollen, die der alten Dame und die des Mädchens.” Darauf die Mistinguett: „Ich akzeptiere – und wer wird die Rolle der alten Dame spielen?”

Charlie Chaplin hielt an diesem denkwürdigen Tag, seinem eigenen Siebzigsten (am 16. April 1959) eine Rede an seine Gäste, in der jeder Absatz begann „Als ich mich selbst zu lieben begann ...” Sie ist zu lang, um sie hier ganz zu zitieren, aber der dritte Absatz geht so: „Als ich mich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen, und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war. Heute weiß ich, das nennt man REIFE.”

Goethe hatt zu diesem Anlass natürlich auch Bedeutsames beizutragen: „Das ist ein Tag, an welchem der wohldenkende Mensch Aufmerksamkeit von außen bedarf. Ein Tag,der einen veranlasst, innerlich sowohl rückwärts als vorwärts zu blicken, jenes mit vollem Ernst, dieses mit einiger Bedenklichkeit.”

Ein Tag, an dem der wohldenkende Mensch Aufmerksamkeit von außen bedarf – also, du wohldenkender Mensch, unsere Aufmerksamkeit hast Du. Und wenn Du Dich veranlasst siehst, rückwärts zu blicken, so magst Du Dich daran freuen, dass, was Du erblickst, Dir keiner nehmen kann, es ist alles ein für allemal Dein eigen geworden, ob es Dir nun passt oder nicht – nein! das „oder nicht” streichen wir. Du kannst Deinen Geburtstag mit Kindern und Enkeln und mit einem Haufen guter Freunde feiern, was willst Du mehr?

Und mit einiger Bedenklichkeit nach vorne zu blicken heißt ja nur, jeden Tag gern und bewusst und frohen Herzens als Geschenk und nicht als Selbstverständlichkeit zu betrachten – und heiteren Gemüts. Denk an das „Gebet einer Seniorin” der Teresa von Avila, es schließt mit den Worten: „Erhalte mich so liebenswert wie möglich, Ich möchte keine Heilige sein, die sind schwer zu ertragen, aber ein alter Griesgram ist das Werk des Teufels.“

≡ Navigation
 
↑ Seitenanfang