Geburtstag C.

Liebe C. !

Man sollte es nicht für möglich halten. Wenn Du es uns nicht selber schriftlich gegeben hättest, einem andern hätten wir es niemals geglaubt, dass Du nämlich Deinen achtzigsten Geburtstag feierst. Das ist aber mal wirklich ein toller Anlass, und gerne sind wir Deiner Einladung gefolgt. Wir wünschen Dir für das nächste und viele weitere Lebensjahre, dass Du uns allen noch so fröhlich und tatkräftig und unserem Chor so stimmfest erhalten bleibst.

Fröhlichkeit, Tatkraft und Stimme hängen sicherlich mit Deinem Namen zusammen, mit dessen Auswahl Deine Eltern vor achtzig Jahren eine weise Wahl getroffen haben. Der Name Charlotte setzt sich aus zwei Elementen zusammen: aus der romanisierten Schreibweise Karl des althochdeutschen Wortes karal – der Tüchtige, der Freie, und aus der französischen Verkleinerungsform -otte. Charlotte bedeutet also soviel wie weibliches Karlchen, Karlalein oder eben kleine Tüchtige .

Kein Wunder, dass Du diesen Namen mit einer ganzen Reihe von berühmten – sagt man Namensbasen? – gemein hast. Die Literaturgeschichte ist voller Charlotten.

• Charlotte Brontë war die älteste der drei schriftstellernden englischen Schwestern Charlotte, Emily und Anne Brontë. Ihr Roman Jane Eyre wird heute noch gelesen.
• Charlotte Buff war das Vorbild für die Lotte in Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther”. Nicht nur Goethe, auch Thomas Mann hat ihr ein literarisches Denkmal gesetzt. In „Lotte in Weimar” beschreibt er einen späten, ziemlich steifen und förmlichen Besuch bei ihrem einstigen Verehrer.
• Charlotte Roche ist eine deutsche Fernsehmoderatorin und Autorin britischer Herkunft.
• Charlotte von Stein war Hofdame der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach und Freundin von Herder, Goethe und Schiller. Besonders Goethe hat sie liebend verehrt und ihr 1700 glühende Briefe geschrieben.
• Die Schwestern Charlotte und Karoline von Lengefeld wurden von Friedrich von Schiller sehr verehrt, am liebsten hätte er es zu eine menage á trois kommen lassen. Schließlich wurde Charlotte seine Frau. Bald nach der Hochzeit konnte er schreiben: „Was für ein schönes Leben führe ich jetzt!”

Es gibt noch ein paar andere, großartige Charlotten, manche haben sogar mit Dir, liebe Charlotte, irgendeinen Wesenszug gemein.

• Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz wurde durch die Heirat mit König Georg III. zur Königin von Großbritannien und von Irland. Von ihr heißt es: „Die junge Königin machte rasch Fortschritte im Erlernen der englischen Sprache, liebte das Kartenspiel, Ausritte zu Pferd und mochte es, die Hofgesellschaft mit Gesang und Cembalo zu unterhalten”. Und eine Nachspeise ist nach ihr benannt.
• Marie Charlotte von Belgien heiratete den glücklosen Erzherzog Maximilian von Österreich. So wurde sie für kurze Zeit unter dem Namen Carlota Kaiserin von Mexiko.
• Charlotte Georgine von Mecklenburg-Strelitz galt, zusammen mit ihren Schwestern, Königin Luise von Preußen, Königin Friederike von Hannover und Fürstin Therese von Thurn und Taxis als eine der schönsten Frauen ihrer Zeit. Viele Zeitgenossen, darunter Jean Paul, bezeugten Charlottes außerordentliches Gesangstalent. Es brachte ihr den Namen „Singlotte” und den Ruf einer der größten Sängerinnen ihrer Zeit ein. In der Karwoche sang sie regelmäßig in der Christuskirche von Hildburghausen Grauns ”Tod Jesu”, bei der die ganze Bevölkerung Eintritt zur Kirche hatte.
• Charlotte Amalie von Hessen-Philippsthal war Herzogin und Regentin von Sachsen-Meiningen. Als sie die Regentschaft übernahm, war das Land finanziell und wirtschaftlich völlig ruiniert. Mit straffen Reformen und Sparmaßnahmen, wirtschaftlichem Wiederaufbau und Förderung des geistigen Lebens gilt sie als Retterin des Herzogtums. Sie machte damit selbst Kaiser Joseph II. auf sich aufmerksam, der sie zur Direktorin der Debitkommission für das noch hoffnungsloser verschuldete Herzogtum Sachsen-Hildburghausen bestellte.

Und dann gibt es noch die Schalotte, eine milde Zwiebel, auch Edelzwiebel genannt. Der Name leitet sich vom Mittelmeerhafen Askalon her, von wo aus die Schalotte mit den Kreuzfahrern nach Europa kam. Aber ich glaube, das gehört jetzt nicht hierher.

Liebe Charlotte! Dein Name hat eine so schöne Bedeutung, dass wir dem nichts hinzufügen können. Mögest Du noch lange die Kraft und Ausdauer haben, als „kleine Tüchtige” zu wirken und Dich würdig in die Reihe Deiner Namensbasen einzureihen. Und mögest Du in unsrem Chor noch lange mit klangvoller Stimme singen und manchen launigen Vortrag zum Besten geben!